Auf dem Regal im Badezimmer steht ein gerahmtes Bild, eine recht hochwertige Kopie eines mir unbekannten, aber sicher nicht bedeutungslosen spanischen Malers. Das Original haben wir im katalanischern Ceret im Original bestaunt. Er oder sie muss ein Freund Picassos gewesen sein, wahrscheinlich Katalane – na immerhin!
Es passt nicht wirklich in den billigen Rahmen und steht schräg an die Wand gelehnt. Es ist modern, fast kubistisch und jeden Morgen denke ich: „Was für ein schönes Bild!“ – und wie schön der Urlaub war in den Pyrenäen und ganz besonders die Zeit, als wir dort auf den Spuren Picassos neugierig ein tolles Land erfuhren.
Manchmal werde ich am Morgen wach und bin etwas traurig – vielleicht weil die Nacht nicht so schön war oder die Erwartungen an den Tag nicht gut. Dann bleibe ich stehen vor dem Bild, recke mir die Müdigkeit und das Alter aus den Knochen und denke: „Verdammt, du hast hier noch keinen Platz gefunden, man schiebt dich von Regal zu Regal, bleibst immer irgendwie schräg und irgendwann landest du hinter dem Schrank im Gästezimmer, wo dich mit der Zeit die Spinnweben in die Vergangenheit ziehen.“
Dabei brauchte es bloß einen Hammer und einen Nagel, und es hätte endlich einen Platz in meinem Leben und in der Welt. Vielleicht würde mich dann auch endlich das falsche Passepartout stören und es bekäme den Rahmen, den es verdient.
Manchmal stehe ich auch schräg in der Welt und wünsche mir den Nagel herbei, und jemanden, der mich hinhängt, wo ich hingehöre. Aber solche Gedanken habe ich nur an traurigen Tagen und wenn ich traurige Bilder sehe.
Es ist Mittwoch, der 4. Juni 2025 und ich werde heute ein Bild aufhängen.